Fazit 58. VGT in Goslar

von | 01.02.2020 | Allgemein | 5 Kommentare

Teilnahme

Goslar ist eine mir sehr bekannte idyllische Kleinstadt im Harz und auch regelmäßiger Veranstaltungsort für den einmal im Jahr stattfindenden Deutschen Verkehrsgerichtstag. Umso mehr habe ich mich im letzten Jahr über die Einladung von Herrn Dr. Klaus Schneider zur Mitwirkung im Arbeitskreis V „Elektrokleinstfahrzeuge“ gefreut. Für uns als Verband sicherlich eine gute Möglichkeit, unsere reale und erfahrene Sicht der Dinge zu vertreten. Weitere Mitglieder und Referenten des Arbeitskreises waren Detlev Lipphard (DVR), Tibor Pataki (GDV) und Peter Jaklin (ADAC). Als Arbeitskreisleiter war Stefan Strick als Präsident der BAST eingeladen. Nicht vergessen möchte ich Herrn Maxim Bierbach, der als technischer Ansprechpartner und langjähriger Kenner der EKF-Situation einen wichtigen Anteil an der Arbeit des AK V hatte.

Positiver Spirit

Auf Grund des ersten Vorgesprächs Ende August 2019 war meine Erwartungshaltung in Richtung VGT eher zurückhaltend als euphorisch, da auch dort alle bekannten Stigmata gegen Elektrokleinstfahrzeuge mit und ohne Lenkstange bedient wurden. z.B. „Ich gehe lieber zu Fuß und fahre Fahrrad“ – „kleine Räder und viel zu wackelig“ oder „Bremsen ohne Haltestange bei 20km/h? UNMÖGLICH!“
Daher war ich umso überraschter mit welchem positiven Spirit der stellvertretende Ministerpräsident Bernd Althusmann am ersten Abend bei seiner Rede zur Abendveranstaltung seine Gäste einstimmte. Zitat „Deutschland schaut in diesen Tagen nach Goslar zum 58. Verkehrsgerichtstag” / Albert Einstein: “Eine wirklich gute Idee erkennt man daran, dass sie ausgeschlossen scheint. Es ist höchste Zeit, nicht mehr darüber nachzudenken, was alles nicht geht, sondern darüber nachzudenken was geht.” Selbst die prominenten Redner VGT Präsident Ansgar Staudinger und Cem Özdemir bei der Eröffnungsfeier in der Kaiserpfalz übernahmen diesen Geist und warben mit den Empfehlungen „Mutig zu sein“ und „Das Optimieren der Kerze zu beenden und endlich die Glühlampe zu erforschen“.

Was soll da noch passieren, dachte ich mir und machte mich mit einem gut abgestimmten 15-minüten Vortrag auf den Weg ins „Energie-Forschungszentrum Niedersachsen“ zum früh ausgebuchten Arbeitskreis V. Die Diskussion über EKF im letzten Jahr hatte sicherlich ihren Anteil bei der Wahl vieler Besucher zu diesem Arbeitskreis, aber gleichzeitig freut man sich darauf, Menschen über Micromobilität aufzuklären und mit verschiedenen falschen Vorurteilen und Behauptungen aufzuräumen. Zusätzlich hatte ich diverse Fahrzeuge mit und ohne Lenkstange als Anschauung im Gepäck.

Nach ca. 80 Minuten waren alle vier Vorträge gehalten und wir im Referententeam empfanden, dass alle 240 Besucher ausgewogen über Elektrokleinstfahrzeuge informiert wurden. Die Teilnehmerstruktur war sehr stark von Polizeibeamten, Juristen und Mitarbeitern in Kreis- und Ort-Verkehrswachten geprägt.
Leider war sehr schnell klar, dass der im Vorfeld verbreitete positive Spirit den Raum nie erreicht hatte und bis zum Schluss an der Garderobe hing. Die für mich klassischen Schlagwörter wie “Verkehrswende” und “Nachhaltigkeit” wurden leider nie erwähnt oder andiskutiert.

Meinung

Die Lager verhärteten sich und wir waren mit der Diskussion schnell weit weg vom Thema „Privatverkehr“, sondern diskutierten was die Verleiher falsch machen, kritisierten die Parksituation und erklärten den Anwesenden die Haltwertzeit und Entsorgung von Akkus. Auch die Erkenntnis, dass nur Betrunkene und Partymenschen die E-Scooter fahren wird sicherlich nun niemanden mehr überraschen. Nur wenige Besucher waren unseren Fahrzeugen gegenüber positiv eingestellt und haben verstanden, was ich mit meinem Vortrag versucht habe zu erläutern.

Hightech auf Rädern

Die Entwicklung wird weitergehen, es werden neue Fahrzeuge kommen und wir müssen uns dieser Entwicklung stellen und genau deshalb vorab wissenschaftliche Studien und Daten sammeln. Verstehen was dort draußen passiert und uns nicht von Gefühlen leiten lassen bzw. unsere Meinung aus plakativen Überschriften von vielen Berichterstattungen bilden. Liest man den Artikel des Deutschlandfunk aufmerksam weiter, versteht man schnell wie es läuft. Uninformiert draufhauen wie Herr Brockmann geht immer und kommt bei den überzeugten Kritikern an, aber die Message von Herrn Rehling liest dann leider niemand mehr und dieses Vorgehen wird nicht zu einer Akzeptanz und positiven Werbung für das Elektrokleinstfahrzeug führen.

Empfehlungen

Nachdem sich alle Teilnehmer ihre Meinung am ersten Tag bilden konnten und diese auch verstärkt kundtaten, ging für den Arbeitskreis V die eigentliche Arbeit nun erst los. Die vielen Fragen mussten ausgewertet, priorisiert und in erste Empfehlungsentwürfe gegossen werden. Natürlich kann ich an dieser Stelle nicht weiter ins Detail gehen, aber meine Vorstellung der Auswertung wäre eine andere gewesen. Sicherlich bin ich kein Jurist und weiß nicht, “wie der Hase läuft” beim VGT, aber ich zähle mich doch zur Gruppe des modernen offenen Menschen, der eher dazu neigt, Dinge anzupacken als zu verbieten.

Verpasste Chancen

Aus meiner Sicht hätten wir viele Möglichkeiten gehabt, um eine sinnvolle Empfehlung zur wissenschaftlichen Analyse von EKF ohne Haltestange zu geben. Auch hätten uns konstruktive Gedanken EKF=Fahrrad geholfen, Probleme wie Flächennutzung, Geschwindigkeit, Promillegrenze und „Fahrrad frei“-Schild schnell und einfach in den Griff zu bekommen. Aber alle diese Punkte sowie die Hoffnung über eine homogene EU-weite saubere Regelung wurden vom „Fachpublikum“ kassiert. Der Gassenhauer und auch als juristisches Hilfsargument bezeichnet: „Elektrokleinstfahrzeuge sind Kraftfahrzeuge“ rettete viele der Kritiker über die Ziellinie und ließ mich kopfschüttelnd zurück. Auf die Idee, dass vielleicht ihr Wiener Übereinkommen von 1968 uralt und dringend überarbeitet werden sollte, ist wahrlich keiner gekommen.

Eingeschnappt?

Wer nun denkt, am zweiten Tag wäre nur noch Schaulaufen angesagt, wurde schnell eines Besseren belehrt! Denn nun begann eigentlich erst der richtige Wahnsinn für mich als Neuling. Verschiedene Verbände bildeten „Fangruppen“ und liefen mit prominenter Unterstützung auf, um nun direkten Einfluss auf Abstimmung und Meinungsmache im Publikum zu nehmen. Zu Beginn wurden dem Publikum alle Empfehlungen vorgestellt und sollten nach 10min. Lesezeit bewertet, diskutiert und final abgestimmt werden. An jedem Wort wurde gefeilt und gestritten, welches am Ende zu großem Unverständnis „das wurde früher aber anders gemacht“ bzw. „ich bin schon seit 1977 beim VGT“ führte. Letztendlich verabschiedet man sich dabei irgendwann mental als Teilnehmer und beobachtet mit innerlichem Kopfschütteln das rege Treiben. Auch möchte ich jetzt jedem Kritiker direkt widersprechen, der sich denkt „der ist ja nur neidisch weil seine Fahrzeuge ohne Lenkstange fast einstimmig abgelehnt wurden“.

Kernbotschaft

Rückblickend kann ich nur sagen, dass vermutlich nur sehr wenige Besucher meine Kernbotschaft vom unbekannten EKF-Privatverkehr, keine belegbaren wissenschaftlichen Zahlen/Studien und “Verbote lösen unsere zukünftigen Probleme mit neuen Fahrzeugen” völlig durchdrungen und verstanden wurden.

Der erhoffte positive Spirit wich schnell dem Motto „Kenn ich nicht, ess ich nicht bzw. ich kann mir überhaupt nicht mal vorstellen, dass man es essen kann“ und fand seinen finalen Höhepunkt mit Empfehlungen wie z.B. „EKF-Führerschein“ und „Blinker“. Das am zweiten Tag diverse Teilnehmer nicht mehr erschienen sind und auch während der Diskussion den Saal verlassen haben unterstreicht aus meiner Sicht Qualität und Diskussion des Zuhörerkreis vom Arbeitskreis Nr. 5.

Ich bin über die Erfahrung sehr dankbar und kann nur jedem empfehlen, es selbst einmal zu erleben, falls die Einladung zum VGT kommt oder auch einfach mal eine Anmeldung zu einem der nächsten Arbeitskreise des 59. VGT durchzuführen. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt am Ende doch auf der Zunge und lässt einen wieder an die Bemerkung von Herrn Staudinger bei der Eröffnungsrede denken: „Wir haben kein Mitglied unter 40 Jahren“.

Trotzdem und das ist mir zum Abschluß sehr wichtig – bedanke ich mich für die Zusammenarbeit im Arbeitskreis V, den offenen und konstruktiven Umgang untereinander und wir kommen natürlich immer gerne wieder und berichten aus der Zukunft zum Thema Elketrokleinstfahrzeuge mit und ohne Lenkstange!

Zum Abschluß sei noch erwähnt was Willy Brandt vielleicht dazu gesagt hätte – “Die Zukunft wird nicht gemeistert von denen, die am Vergangenen kleben.” (Danke an Lars S. für den Tip!)

5 Kommentare

  1. Markus uebel

    Traurig. Warum nicht einfach die Regelung von californien uebernehem und gut. Der wo nicht Skateboard fahren will muss es ja auch nicht. Habe jetzt mir einen zugelassenen scooter gekauft da die Polizei mir das Skateboard bereits eingezogen hat und das ist halt nichts wo ich jeden tag das neu riskieren kann.

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  2. Gerd

    Interessanter Bericht – ich bekomme aber den Eindruck, als ob ihr da etwas zu “nett” aufgetreten seid. Der VGT ist eine Schlangengrube mit enormer Medienpräsenz und da muss man tough auftreten. Es wäre auch hilfreich, die Verleiher zur Not über die Klinge springen zu lassen und unterschiedliche Kriterien zu fordern.

    Der wichtigste Schritt ist und bleibt eine Klage auf EU-Ebene und namentlich gegen das BMVI. Darüber hinaus flankiert durch private Klagen/Eingaben. Parallel die Kooperation mit einer Hochschule o.ä., um eine eigene Studie zu lancieren. Bitte bloß nicht alleinig auf die Studie des BMVI warten.

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    • Lars Zemke

      Gerd, gute Idee! Aber wer soll das alles umsetzen? Netzwerken, Kontakte knüpfen, Klagen und nebenbei Studien lancieren. Machst Du auch mit? Gruß Lars

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    • Martin

      Eine Klage auf EU-Ebene gegen das BMVI? Wie soll das denn funktionieren?

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  3. Bernd

    Lieber Lars,
    vielen Dank für deinen Bericht und die Teilnahme. Ich bin froh, dass wir durch dich hier vertreten waren! Selbst wenn das Ergebnis ernüchtern scheint, ist es wichtig für uns zu wissen, was die Experten denken und kommunizieren. Für mich war erfreulich zu lesen, dass sich unsere Politiker das Kredo unseres Bundesverkehrsministers zu eigen gemacht haben. Das sagt mir, dass sie erkannt haben mit welcher grundsätzlichen Abwehrhaltung man innovativen Lösungen begegnet. Somit werden sie auch die Empfehlung entsprechend einstufen.
    Wir sollten die Gunst der Stunde nutzen und unser Anliegen weiter voranbringen und vertreten wo immer sich die Möglichkeit ergibt. Steter Tropfen höhlt den Stein!
    Es gibt sicherlich viele Hebel die wir ansetzen können. Wir sollten bewerten was davon mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen umsetzbar ist. Die sollten wir nutzen und an vielen Stellen, wenn auch im Kleinen, für unsere Idee kämpfen.

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