Münster – Notwehr!

von | 15.06.2022 | Allgemein, Demonstration | 2 Kommentare

Unser Verkehrsminister Volker Wissing sagte in einem Interview zum Thema Klima & Verkehr, Zitat: „Ich will ermöglichen, nicht verbieten. Wir müssen Hürden beseitigen, die Menschen davon abhalten, ein bestimmtes Verkehrsmittel zu nutzen.” oder “Wenn wir die Menschen von einer anderen Mobilität überzeugen wollen, müssen wir ihnen attraktive, klimaneutrale Alternativangebote machen, die ihren Bedürfnissen entsprechen und sie überzeugen.” Zitatende.

Wer unsere Seite in den letzten 3 Jahren regelmäßig besucht hat oder sogar ein(e) betroffene(r) Nutzer*in von Fahrzeugen ohne Lenkstange ist, wird wissen, dass es im Zusammenhang mit dem Thema “Erweiterung der eKFV” nur so von Hürden und Verboten wimmelt! Die deutsche Politik “versteckt” sich weiterhin hinter der einzigen Studie, die es bis jetzt in der Bundesrepublik gibt, nämlich die BASt Studie aus dem Jahre 2014. Diese fast 100 Seiten geballte Fachkompetenz wurde zusätzlich sehr verzögert im Jahre 2018 veröffentlicht und bildet die Grundlage für die aktuelle eKFV. Alle in dieser Studie genutzten Fahrzeuge sind heute bereits lange Elektroschrott und die in diesem Bereich eingesetzte Batterie- und Motortechnik hat in den letzte 4 Jahren einen so gewaltigen Schritt nach vorne gemacht, dass durch die Bank weg alle damaligen Ergebnissen neu hinterfragt werden sollten.

Zur Erinnerung: Fahrzeuge ohne Lenkstange wurden in dieser Studie so gut wie nicht geprüft, weil sie von Seiten der ungeübten Beamten als unfahrbar galten und bei dem einzigen selbstbalancierenden Fahrzeug in der eKFV hat die BASt die Empfehlung gegeben, die Bremsleistung zu begrenzen. Vermutlich um das Fahrzeug verkehrssicherer zu machen? Diese Empfehlung hat es sogar final in den Gesetzestext für die Zulassung des selbstbalancierenden Segways geschafft. Was unser Mitglied Matthias Heier davon hält, könnt ihr in seinem Statement an die damalige Bundesregierung von 2018 nachlesen.

Demo Free Hands Ride 25.06.2022 in Münster

Wer jetzt beim anfänglichen Lesen dieses Artikels eine gewisse Verbitterung des Autors erkennt, dem muss ich uneingeschränkt recht geben. Sicherlich war es uns bei der Gründung des Verbandes im Dezember 2018 klar, dass es kein Selbstläufer wird, Andi Scheuer und seine Mitarbeiter von der Sicherheit der Fahrzeuge ohne Lenk-/Haltestange zu überzeugen. Aber was bis Stand heute von Seiten der Verantwortlichen inkl. BMDV getan wurde, um Einsatz und Anwendungsbereich dieser Fahrzeuge zu verstehen, lässt selbst Don Quijote als gut ausgebildeten Einzelkämpfer im berühmten Kampf gegen spanische Windmühlen wirken. Niemand will/kann bis heute die erhöhte Gefährdung durch die Nutzung von Fahrzeugen ohne Lenkstange für die unbeteiligte Bevölkerung oder eine Störung des öffentlichen Friedens wissenschaftlich begründen. Von Seiten der Verantwortlichen setzt man noch eins obendrauf, blendet bei der Neuauflage der BASt Studie 2.0 den kompletten Privatverkehr aus und konzentriert sich in Gänze auf Leih-E-Scooter in Metropolen wie Berlin und Dresden.

Gefangen in Zwängen und die Scheu vor Verantwortung

Der geschätzte Leser wird nun sagen: na dann geht doch auf die Straße und macht Euch mit einer angemeldeten Versammlung Luft! Selbst dieses Unterfangen bringt den deutschen Beamten an den Rand des Zumutbaren. Rückblick: Im November 2018 hatten wir unsere erste Demonstration online angemeldet und die Berliner Polizei begleitete uns am 13.12. in gewohnter Souveränität durch die Innenstadt. Damals kam vermutlich noch niemand auf die Idee, eine Versammlung zu untersagen, um Bürger daran zu hindern, ihrer politischen Forderungen nach einer Regulierung und legalen Teilnahme für Fahrzeuge mit und ohne Lenk-/Haltestange am Straßenverkehr Nachdruck zu verleihen. Selbst die eKFV war zu diesem Zeitpunkt nur als Entwurf bekannt und der Gehweg durfte nach Idee des BMVI noch bis 12km/h mitbenutzt werden. Gegenwart: 3 Jahre später sieht die Welt nun noch viel düsterer aus, denn bis auf wenige Ausnahmen werden seitens der deutschen Versammlungsbehörden unsere regelmäßigen Anmeldungen (Hannover, Dortmund, Herdecke und Düsseldorf) mit der Begründung „innerhalb der Versammlung begeht jeder Teilnehmer mit der Nutzung seines Fahrzeugs eine Straftat im Straßenverkehr (Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetzt §1)“ abgelehnt bzw. nur unter Auflage „zu Fuß“ die Wegstrecke zu absolvieren freigegeben. Wer damals in Herdecke dabei war, wird wissen, wie sinnvoll es ist ein E-Board oder OneWheel über 10 km oder 20 km zu tragen, wenn man damit die Verkehrswende einläuten will.

Absage Versammlungsbehörde Hannover

Dem Argument der Behörde, wir würden am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen kann ich nicht zustimmen, da durch das Führungs- und Schlussfahrzeug der Polizei die Versammlung vom öffentlichen Verkehr abgegrenzt wird bzw.der öffentliche Verkehr in weiten Teilen vorab sogar gestoppt wird, bis der Aufzug von Mikromobilen am stehenden durch die Polizei gestoppten Verkehr vorbeigefahren ist. Niemand bleibt in einem Demonstrationsaufzug an einer roten Ampel stehen bzw. stellt sich die Frage, dass Fußgänger auf der Straße nichts zu suchen haben? Außerdem macht es nur Sinn auf/mit fahrenden Fahrzeugen zu demonstrieren, um Zuschauer z.B. auf dem Fahrrad, am Straßenrand oder im Auto darauf aufmerksam zu machen, wozu diese eingesetzten „KFZ“ dienen.

DEr öffentliche Frieden muss gewahrt bleiben

Eine Demonstration zur Legalisierung freilenkender Mikromobile hat nur dann Erfolg, wenn Unbeteiligte sehen und verstehen, wie unsere Fahrzeuge funktionieren und richtig auf der Straße/Radweg angewendet werden. Vor allem zeigt gerade die praktische Anwendung, welche Vorteile diese Art von Mikromobilität im intermodalen Einsatz im ÖPNV im Gegensatz zum Fahrrad/PEDELEC besitzt. Deshalb macht es auch wenig Sinn, wenn mir die zuständigen Beamten raten, doch einfach auf Privatgelände zu fahren und meine Demo zu veranstalten oder mir die Frage stellen, seit wann „Spaßfahrten“ am Wochenende eine Demonstration darstellen?

Nur Spaß ist das einzige Argument was ich gelten lassen kann, denn warum soll der Faktor Freude nicht ein ausschlaggebender Punkt beim Einsatz eines OneWheel, MonoWheel oder E-Board sein?  Viele der Teilnehmer dieser Demonstrationen würden liebend gern ihr Auto stehen lassen bzw. machen dies bereits jetzt schon mit dem Risiko von der Polizei erwischt zu werden, um letztendlich damit den Weg zu Arbeit, Supermarkt oder nur einfach so zum Spaß zu bestreiten. Sie lesen richtig, jeden Tag fahren bereits viele Bürger*innen mit einem nicht regulierten Fahrzeug durch die Republik! Deshalb ist es umso fahrlässiger von der Politik, dass man ein schnell lösbares Thema wie eine Regulierung nicht anpackt und auch diesen Menschen eine legale und versicherte Nutzung ihres Fahrzeugs ermöglicht. Einen Vorschlag, wie dies möglich sein kann, haben wir bereits 2019 vorgelegt. Zusätzlich müsste als Grundlage ggf. doch noch ein „erster Entwurf“ im Archiv des Ref-StV 24 existieren, welcher damals zur geplanten und angekündigten Ausnahmeverordnung existierte?

Gründung unseres Bundesverbandes war „Reine Notwehr!“

Personal Light Electric Vehicle werden jeden Tag in fast ganz Europa täglich genutzt. Städte wie Madrid, Paris oder Wien beweisen uns seit Jahren wie es ohne große Risiken umgesetzt werden kann. Die EU erlässt erste Normen, um eine einheitliche Regulierung anwenden zu können. Deshalb kann ich nur immer und immer wieder an dieser Stelle an die deutsche Politik appellieren, endlich eine Verordnung für alle Nutzer auf die Straße zu bringen oder ggf. mit einer Testphase von 2-3 Jahren zu erkunden wie, wann und warum unsere Fahrzeuge genutzt werden. Die neue Studie der BASt wird jedenfalls keine neuen Impuls im Bereich Mikromobilität setzen.

Wir als Verband sind bereits mit vielen öffentlichen Stellen im Gespräch, um erste Leuchtturmprojekte in München, Auethal, Berliner Gräfekiez (6 Monate autofrei) und Wolfenbüttel für die Anwendung von Fahrzeugen ohne Lenkstange zu ermöglichen. Die Stadt Bamberg hatte dies bereits 2019 – aus heutiger Sicht schon fast visionär – vor in Kraft treten der eKFV probiert, wo man Mitbürger nicht zulassungsfähige E-Scooter unter einem hohem Verwaltungsaufwand (Einzelabnahme, Versicherung etc.) testen lassen wollte. Vor dieser unmöglichen Herausforderung stehen nun Kommunen und Städte erneut, wenn sie z.B. ein MonoWheel oder OneWheel per Einzelabnahme beim TÜV zulassen wollen. Vermutlich wird es nur durch visionäre Kraftaufwände von einzelnen Verantwortlichen möglich sein, Grenzen neu auszuloten und zu zeigen, dass es nur mit dem Blick nach vorne geht. Oder hätten sie sich vor 3 Jahren träumen lassen, dass ihr Kind einmal erste Schritte auf seiner öffentlichen Schule im Bereich Homeschooling macht oder sie selbst in den Genuss von Home-Office kommen? Früher undenkbar, nicht umsetzbar, weil jeder Zuständige in seinen Zwängen und der Scheu vor Verantwortung gefangen war und teilweise noch immer ist.

Man hat mich irgendwann mal gefragt was der Auslöser zur Gründung unseres Bundesverbandes war ? Antwort: „Reine Notwehr!“

zeitlich begrenzte Testphasen ermöglichen

Als wir damals im Sommer 2018 die ersten Entwürfe zur eKFV gelesen haben, wurde uns sehr schnell klar, dass hier eine Verordnung ohne Beteiligung des privaten Anwenders entsteht und bis heute praktische Anwendung findet. Der deutsche Amtsschimmel prallte auf die Vertreter der Verleiher, technischer Überwachung und Versicherungen. Zusammen teilte man sich untereinander den Kuchen auf und schuf die wohl sicherste Regulierung für ein Fahrzeug mit Betriebserlaubnis, Versicherung und einer weltweit einzigartigen Höchstgeschwindigkeit von 20km/h im deutschen Straßenverkehr. Als Andi Scheuer dann on Top auch noch parallel die bereits mehrfach angekündigte Ausnahmeverordnung auf Grund heftiger Gegenwehr aus dem Bereich der Bundesländer vor dem Bundesrat opferte, war der Supergau perfekt! Sicherlich war die 12km/h Option, um E-Scooter auf dem Gehweg fahren zu lassen absoluter Schmarrn, aber nun gut, es kam ja auch nicht dazu bzw. von uns wollte nie jemand auf dem Gehweg fahren!

Demo “zu Fuß” in Herdecke

Jetzt wurde die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung am 15.06.2022 3 Jahre jung und Deutschland diskutiert weiterhin über den bösen Leihroller! Die Fertigung des Segways wurde bereits eingestellt und so sitzt exemplarisch nur noch ein „Geburtstagskind“ am Tisch, um die Kerzen auf der sauren Zitronentorte auszublasen. Schlagwörter wie “Autofahrten ersetzen”, “Beitrag zur Verkehrswende” oder “Wie fühlt sich eigentlich der deutsche Privatanwender des E-Scooters im Umgang mit seinem Fahrzeug” waren Herrn Scheuer wie jetzt auch Herrn Wissing oder Frau Kluckert vermutlich ziemlich egal. Angebote zum frischen Austausch für eine Erweiterung der eKFV sowie die bereits 2019 von der FDP geforderte Umsetzung zur Legalisierung aller Mikrofahrzeuge verhallen ungehört im BMDV.

Selbst die Nennung einer Gesamtzahl der sich auf deutschen Straßen im Einsatz befindlichen E-Scootern bleibt man von Seiten der Behörden bzw. auch vom Gesamtverband der deutschen Versicherer weiter schuldig. Prozesse, die 3 Jahre brauchen, um verlässliche Zahlen zu produzieren, gehören überarbeitet bzw. sogar hinterfragt. An jedem Scooter klebt meines Wissens nach ein Kennzeichen was jährlich (auch bei Leihscootern) gewechselt werden muss und so sollte es doch keine Atomphysik sein, aus der laufenden Fahrzeug-Datenbank eine Gesamtzahl für Elektrokleinstfahrzeuge zu ermitteln?

Die von allen viel geprügelten Verleiher von E-Scootern sind da schon sehr viel weiter, denn jene machen keinen Hehl daraus regelmäßig zu erwähnen, dass sie ca. 140.000 Fahrzeuge im Einsatz haben. Dass die Anzahl der privaten Nutzer bei weitem höher ist, sollte auch im Verkehrsministerium, KBA oder auch GDV angekommen sein. Deshalb an dieser Stelle ein erneuter freundlicher Appell an die Verantwortlichen, eine Datenbankabfrage (Nein, nicht per FAX!) zu starten und Zahlen zu liefern.

25.06.2022 per 9 Euro Ticket zum Hauptbahnhof in Münster

…und mein Appell an Dich, lieber Nutzer von innovativer Mikromobilität mit und ohne Lenk-/Haltestange: Unterstützt uns weiter und bleibt am Ball! Nur das stetige rütteln am Gefüge wird zur Aufklärung aller Instanzen beitragen. Deshalb kommt am 25.06.2022 per 9 Euro Ticket um 13 Uhr zum Hauptbahnhof in Münster.

Update 27.06.2022 -> Es war eine sehr gelungene Veranstaltung über die selbst die lokale Presse berichtete. Nach anfänglichen Kommunikationsprobleme mit der Polizei durften wir aber dann doch final unsere 20km lange Strecke durch Münster fahrend antreten. Bei bestem Wetter und mit guter Laune, war es allen Teilnehmer prima möglich mit ihren Fahrzeuge Werbung für unsere Art der Fortbewegung zu machen.

Danke an alle Teilnehmer in Münster!

2 Kommentare

  1. Andy Fischer

    Ich in einigermaßen fassungslos, was ich hier so lesen muß. Als “Städter” muß ich die Vorzüge eines Monowheels im Sinne der Urban Mobility ja nicht weiter erläutern.
    Bei einem kürzlichen Aufenthalt in Paris sah ich neidvoll und mit Erstaunen eine Menge Leute (auch viele Kuriere) auf Monowheels fahren. Mit einem bin ich ins Gespräch gekommen. Die Dinger sind dort “roadlegal” und eine Versicherung ist problemlos möglich, aber keine Pflicht.
    Kann man da evtl. auf Gleichbehandlung (EU) klagen?

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    • Lars Zemke

      Hi Andy, naja so einfach mal “klagen” wäre schön. Welcher RA klagt? Mit welchem Budget? Gerade Brüssel ist ein teures Pflaster! Generell ist “eigentlich” alles in der 168/2013 EU-Norm geregelt, aber Deutschland legt es wieder national aus. Somit muss der RA tief in der Materie sein und am besten selbst EUC Nutzer sein um einen Fortschritt per Klage zu erwirken.

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