Neue Studie “ohne” uns!

von | 09.10.2020 | BMVI | 4 Kommentare

Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, hatten wir die Möglichkeit als Verband am geplanten virtuellen Expertenworkshop (FE 77.0522/2019 “Wissenschaftliche Begleitung der Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr”) der BAST/VUFO Dresden teilzunehmen.

Übersicht der Teilnehmer:

  • Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
  • Verkehrsunfallforschung an der TU Dresden GmbH
  • AIT – Austrian Institute of Technology GmbH
  • CIVEY – Markt- und Meinungsforschung
  • civity – Management Consultants GmbH & Co.KG
  • TU Berlin
  • BMVI StV24 und BMVI Hamburg
  • DStGB – Deutscher Städte‑ und Gemeindebund
  • Deutscher Städtetag
  • Landeshauptstadt München Kreisverwaltungsreferat
  • Ministerium für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen
  • Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr
  • SUVK – Berliner Senatsverwaltung für Umwelt Verkehr und Klima
  • Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen
  • Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
  • Blinden- & Sehbehindertenverband Sachsen e.V.
  • Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V.
  • FUSS e.V.
  • ADFC e.V.
  • Bund Deutscher Radfahrer e. V.
  • Unfallforschung der Versicherer
  • Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.
  • DVR – Deutscher Verkehrssicherheitsrat
  • DVW – Deutscher Verein für Vermessungswesen
  • Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen
  • TIER
  • VOI
  • LIME
  • und wir als “Bundesverband eKF”

Im ersten Teil des sechsstündigen Workshops hat sich die VUFO Dresden selbst und das Projekt erst einmal vorgestellt. Die Verkehrsunfallforschung an der TU Dresden GmbH sammelt Daten aus Unfallgeschehen und rekonstruiert daraus Wahrscheinlichkeiten für zukünftige Unfälle in vergleichbaren Situationen.

Ziele

Das Projektziel ist es die Gefahren der Nutzung von Elektro-Tretrollern zu quantifizieren, die Berührungspunkte zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern zu dokumentieren und das Nutzerverhalten der E-Tretroller zu erfassen. Ich schreibe hier bewusst von “E-Tretrollern”, weil zwar offiziell immer von eKF gesprochen wird, aber defacto nur Nutzer von E-Tretrollern im Forschungsaufbau bedacht werden.

Wo

Geforscht wird in den zwei Großstädten Dresden und Berlin. Es wurde extra darauf hingewiesen, dass nur die Auswirkungen der eKF Verordnung auf das geänderte Unfallgeschehen und die Nutzung der eKF im öffentlichen Straßenraum exemplarisch in diesen zwei Städten erforscht werden. Die von vielen von uns gefahrenen freilenkenden Fahrzeuge und der weitgehend unbekannte Privatverkehr von E-Tretrollern im ländlichen Raum ist nicht Bestandteil des Projektes!

Vorträge

Im Anschluss der Projektvorstellung präsentierte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. den ersten Vortrag, dessen Inhalt sich zu 50 % der Redezeit und 90 % des Inhalts auf uns, also freilenkende Mikromobile bezog. Da es sich nach Auffassung des GDV bei “Fahrzeugen ohne Lenkstange” um Spielzeuge handelt, haben diese Geräte nichts im öffentlichen Straßenverkehr zu suchen.

Anmerkung Lars Zemke: “Die Berliner Polizei versucht aktuell ihren in der Ausbildung befindlichen Polizeischülern genau das Gegenteil zu vermitteln, denn nach Ansicht der verantwortlichen Beamten handelt es sich eben nicht um “Spielzeug” sondern um ein Kraftfahrzeug welches unreguliert im Straßenverkehr unterwegs ist.

keine gültige Versicherung

Auch wurde über die Versicherungspflicht für KFZ und den daraus resultierenden Straftatbestand für nicht versicherte KFZ gesprochen.
Die Tatsache das es aktuell versicherte freilenkende KFZ wie z.B. MonoWheels oder E-Boards gibt, ist nicht im Sinne des GDV. Diese Versicherungen wurden nur durch falsche Angaben im Versicherungsantrag erreicht und der GDV geht aktuell verstärkt dagegen vor, weil der Versicherungsvertrag „dolorös“ zustande gekommen ist.

Ob der Vertreter des GDV nun einen Leistungsverzicht der Pflichtversicherung oder nur eine Kündigung meinte, wurde nicht weiter spezifiziert.

Abschliessend wurde kurz auf das noch nicht rechtskräftige Urteil des AG München “Allianz/Lars Zemke” eingegangen, was final dann auch die Meinung des GDV zu diesen Fahrzeugen richterlich bestätigen würde.

Berlin

Nach der ersten Pause präsentierte die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt Verkehr und Klima einen Vortrag über die gesamten städtischen Probleme mit Sharing-Rollern. Diverse Berliner Lösungsansätze wurden vorgestellt wie z.B.: ausgewiesene Parkzonen für eKF auf der Fahrbahn, Parkverbot auf Gehwegen, die nicht eine gewisse Mindestbreite haben, Parkverbote im Eingangsbereich von U-, S- oder Fern-Bahnhöfen oder an Bushaltestellen – sowie in ausgewiesenen Bereichen vor Sehenswürdigkeiten.

Das Thema “Radwege und Infrastruktur” sei bekannt und wurde in Berlin durch Popup-Radwege auf den Weg gebracht. Popup-Radwege sind Fahrstreifen auf mehrspurigen Straßen, die durch Baustellenmarkierungen und Fahrbahnbemalung zu Fahrradwegen umgenutzt werden.

Kameras

Im Anschluss stellte dann das VUFO die Verkehrsbeobachtung und Unfallanalyse vor. Im Wesentlichen werden an bestimmten Orten Verkehrszählungen mit Kameras in den beiden Städten Dresden und Berlin durchgeführt. Bei der Unfallanalyse wertet man im ersten Ansatz die Daten der aufnehmenden Polizei aus, da diese jetzt eKF Unfälle bundesweit gesondert erfassen.

Um sich ein Bild über die Verletzungsmuster zu machen, arbeitet die VUFO auch mit den Krankenhäusern zusammen und wertet deren Daten aus. Natürlich alles unter Berücksichtigung des Datenschutzes.

Im Westen nichts Neues

Nach der Mittagspause folgte ein Vortrag des BMVI zur ekF Verordnung, der aber (aus meiner persönlichen Sicht) nichts Neues brachte. In der Ankündigung wurde zwar von Ausblicken zur eKF Verordnung gesprochen, aber es war eher ein Rückblick und der Ausblick war, dass man die zukünftige Entwicklung durch dieses Forschungsprojekt in die “richtigen Bahnen” lenkt. Über uns (freilenkende Mikromobile) wurde, wie immer von Seiten des BMVI, kein Wort verloren.

Dunkelziffer

Beim Tagesordnungspunkt 7 wurde es aber richtig spannend. Dabei ging es um die vertiefte Unfallanalyse, also wie und welche Daten zu einem Bild zusammengesetzt werden. Dabei hat man auch “Fahrzeuge ohne Lenkstange” im Blick und erklärt wie man die Dunkelziffer der nicht erfassten Fahrzeuge und Unfälle hochrechnen kann.

Wenn ich es richtig verstanden habe, wird aus den Verkehrsbeobachtungen der Fahrzeugbestand von Sharing- und Privatfahrzeugen in einem Gebiet bestimmt. Jetzt vergleicht man die Unfallaufnahmen der Polizei mit Personenschäden in diesem Gebiet auf Basis der Krankenhausdaten. Aus der Differenz wird dann auf die Dunkelziffer der nicht erfassten Unfälle geschlossen. Da das Datenvolumen der Krankenhäuser nicht so groß ist, kann man diese genau prüfen. Wenn dort Angaben gemacht wurden, wie z.B.: Skateboard, Einrad oder OneWheel werden auch diese Daten mit den Polizeiaufnahmen verglichen. Aus dieser Datengemenge hofft die VUFO sich auch ein Bild über die „illegalen“ Fahrzeuge zu verschaffen.

Sicherheit

Nach einer weiteren Pause ging es um die technische Ausstattung der Fahrzeuge und die Ausrüstung der Fahrenden. Sinnhaftigkeit von Helmen und Fahrtrichtungsanzeiger. Die Autoaffinen möchten natürlich einen Blinker am Roller, die Mitarbeiter vom AIT waren der Meinung der Blinker sitzt am Tretroller zu tief und wird vom Auto/Lkw nicht gesehen. Eine ausgestreckte Hand würde weiterhin viel besser erkannt.

Das Thema Helm wird von den Sharinganbietern nicht weiter aktiv verfolgt, sondern nur mit den Worten kommentiert, dass das Angebot bei verschiedenen Anbietern bereits existiert.

Vorurteile

Über den ganzen Workshop verteilt wurden immer wieder “Online-Umfragen” zu bestimmten Themen gestartet. Hier wurde, obwohl wir nicht Forschungsthema sind, z.B. folgende Frage zu “Fahrzeugen ohne Lenkstange” gestellt:

Stimmen Sie einer Zulassung zu ?

Mögliche Antworten:

  • für eine Evaluierung-/Probebetrieb dieser eKF
  • ich bin dagegen
  • Enthaltung

Über die Hälfte der Teilnehmenden hat sich vermutlich nie mit den betroffenen Fahrzeugen auseiandergesetzt. Trotzdem sprach sich die Mehrheit dagegen aus und bildete sich vermutlich vorschnell eine Meinung, welche auf Vorurteilen beruht mit der sich viele ihre “kleine heile Verkehrswelt” strukturieren. Ohne den Aufwand einer Studie oder der direkten Auseinandersetzung mit der Zielgruppe, ist es leichtfertig sich vorschnell dagegen zu entscheiden! Aber es macht das Leben soviel leichter, nur für die nicht, über die das schnelle Vorurteil gefällt wird. Denn wie immer sind diese Vorurteile zu Geräten ohne Lenkstange negativ! Dies ist nicht nur schade sondern erneut eine verpasste Chance auf dem Weg zur aktiven Verkehrswende.

Die anderen Fragen hatten mit uns dann nichts mehr zu tun. Man hat eher versucht, Wissen und Stimmung der Teilnehmer abzufragen um in zwei Jahren die Änderungen der öffentlichen oder fachlichen Wahrnehmung zu beurteilen.

Da Fahrzeuge ohne Lenkstange in diesem Workshop nicht offiziell Thema waren, wollten wir zumindest den Fokus auf die Gefahren durch die anderen Verkehrsteilnehmenden hinweisen. Ein stehend gefahrenes Fahrzeug wird von anderen Verkehrsteilnehmenden als Stehend wahrgenommen und nicht als Fahrend. Leider wurde dieses Beispiel als Einzelfall abgetan.

Sollte wiedererwarten in einer zukünftigen Sicherheitsdebatte von Verkehrsexperten doch dieser Aspekt ein Thema werden, dann hat sich wenigstens aus Gründen der Verkehrssicherheit die Veranstaltung für eKF Nutzende gelohnt.

Fazit: Von Politik und BaSt dürfen wir auch nach diesem “Workshop” sicherlich weiterhin die nächsten Jahre wenig Konstruktives für freilenkende Mikromobile erwarten. Trotzdem sind wir natürlich sehr gespannt auf die Ergebnisse der Studie und wie sich diese mit den praktischen Erfahrungen anderer EU Länder in den nächsten Jahren decken, die auch mit Fahrzeugen ohne Lenkstange bereits aktiv im Straßenverkehr umgehen.

Vielen Dank für die Einladung zum Workshop und auch ein herzliches DANKESCHÖN an Axel der mich während meines Urlaubs dort virtuell bestens vertreten hat.

4 Kommentare

  1. Bert Beckmann

    Hier wird deutlich mit welcher Arroganz und Unwissenheit solche Themen behandelt werden. Gerde diese freistehend fahrende Fahrzeuge können einen Beitrag zur Verkerswende leisten. Nach über 2000km mit solchen Fahrzeug kann ich nur positives berichten,bis diese Engstirnigkeit der Politiker kommt.

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  2. Bert Beckmann

    Ich Denke auch über diese Fahrzeuge herrscht pure Unwissenheit, es sind kleine wendige Fahzeuge.
    Es sind nicht nur Sportgeräte ,es sind praktische nützliche Alltagshelfer.Sie passen in jeden Kofferaum brauchen kein Fahrradkeller und kein Parkplatz.Ich habe das fahren ohne Stange mit 60 Jahren erlernt
    und möchte es nicht mehr missen. Beruflich fahre ich LKW mehr als 7.5 Tonnen aber wenn ich mit zweimal
    400Watt und max 15 km unterwegs bin dann machen sich die Politiker gleich in die Hose,
    es ist zum verzweifeln wie engstirnig die Politiker sind.

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  3. Harry

    gelungener Vergleich, danke Herr Beckmann 🙂

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  4. micha

    Aufgrund der unglaublich ungeschickten Positionierung von Ladestationen für Elektroautos wären diese elektrischen “Kleinstfahrzeuge” ein unglaublicher Gewinn!
    Ladesäulen sind in der Stadt meistens sehr verstreut und oft sind nur ein oder zwei Ladeports an einer Ladestation anzutreffen. Scho alleine aus dem Grund nutze ich verbotenerweise ein E-Skateboard. Ich suche mir eine Ladesäule und fahre mit dem E-Board weiter. Es ist klein, kompakt und nicht so schwer. Man kann es auch sehr gut am Rucksack tragen. Kein anderes Kleinstfahrzeug kann das!
    Mit Blick in die Zukunft könnte das eine sehr gute Ergänzung zum Ausbau der ganzen E-Mobilität beitragen.

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